Stellungnahme von Matthias Erfmann, Bündnis 90/Die Grünen
Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass in Waltrop Wohnungsbau betrieben wird. Wohnungen in Mehrfamilienhäuser können dazu beitragen, dass bezahlbarer Wohnraum entsteht und dass dieser auch in einer ökologisch vertretbareren Form realisiert wird. Das ist BESONDERS IN ZEITEN DES KLIMAWANDELS wichtig! Zudem entsteht dieser Wohnraum nicht am Stadtrand auf der grünen Wiese, sondern im Bestand auf einem ehemaligen Sportplatz der von einem kleinen Wald gesäumt wird.
Ganz unproblematisch ist das nicht. Denn von den Bäumen in jedem Wald gehen Gefahren für Menschen aus, die sich in der Nähe aufhalten. Die Standsicherheit spielt dabei für den Leib und das Wohl der Menschen, die die Vorzüge des Waldes gerne nutzen, eine erhebliche Rolle. Die Standsicherheit ist ein starkes Argument. Sie ist aber gleichsam auch ein "Totschlagargument", das dazu dienen kann, jeden Baum der stört, zu fällen. Mit zunehmendem Alter schwindet die Standsicherheit eines jeden Baumes.
Wer dieser Logik folgt, kann in Wäldern beinahe flächendeckend die Säge anlegen.
In Waltrop verzichten wir dennoch auf 2.600 Quadratmeter Wald am Rand des ehemaligen Waldstadions, um Gebäude und Verkehrsflächen realisieren zu können. Diese Waldfläche soll umgewidmet werden. Es sind wirtschaftliche Gründe, die dafürsprechen, denn zu einem nominellen Wald müssen die Abstände von Gebäuden 30 Meter betragen. Es sind soziale Gründe die dafürsprechen, den immerhin 30 Prozent der Gebäude sollen öffentlich gefördert werden und jungen Familien günstigen Wohnraum verschaffen.
Aus den 2.600 Quadratmeter Wald wird "öffentliches Grün". Das führt dann dazu, dass die Abstände zu Gebäuden kleiner werden und mehr Wohneinheiten realisiert werden können. Die 2.600 Quadratmeter gehen verloren und müssen ersetzt werden. Das passiert nicht in Waltrop. Es gibt "Flächenpools". Einer befinden sich im Münsterland. Da in Waltrop nach Auskunft der Verwaltung kurzfristig keine geeigneten Flächen zur Verfügung stehen oder erschwinglich sind und Zeitdruck herrscht, soll die verlorengehende Waldfläche im Verhältnis 1:2 im Münsterland kompensiert werden. Das heißt, im Münsterland wachsen demnächst 5.000 qm (zum Vergleich: ein halbes Fußballfeld) mehr Wald auf Waltroper Kosten. Das ist aus Sicht von Bündnis 90 Die Grünen nicht akzeptabel.
Bäume im Wald rund um das einstige Waldstadion, die zudem wohl nicht mehr standsicher sind und gefällt werden müssen, müssten vor Ort nicht ersetzt werden, weil sie durch die Kompensationspflanzungen im Münsterland bereits "ausgeglichen" seien. Totholzpyramiden, Strauchpflanzungen und ein neu zu entwickelnder Waldsaum am nördlichen Rand des ehemaligen Sportplatzes werden als ökologische Kompensation der Eingriffe gefeiert.
Aus Sicht von Bündnis 90/Die Grünen greifen hier Mechanismen, die das Planungsverhalten der Nachkriegszeit geprägt haben. Wohneinheiten und Parkplätze haben Vorrang. Alle anderen Belange, vor allem die des Naturschutzes, werden hintenangestellt. Das Menschen gerade wegen des Waldes in diesem einzigartigen Bereich in Waltrop leben möchten und dass das den besonderen Wert ausmacht, wird von den Planer:innen gar nicht ins Kalkül gezogen.
Neben den Stellflächen an den Gebäuden sollen im Planungsgebiet 50 öffentliche Parkplätze geschaffen werden. Zudem erschließt eine Straße die Fläche von West nach Ost. Eine kritische Überprüfung dieses Entwurfes kommt für die Planer:innen bisher nicht in Frage. Verkehrsflächen für PKW haben schon immer und werden wohl auch immer zu den Planungen eines neuen Baugebietes gehören. Alles andere ist in Waltrop undenkbar. Allein der Verzicht auf diese Flächen und eine Erschließung des Standortes durch Fahrrad- und Fußwege könnte einen erheblichen Planungsspielraum schaffen. Der Wald im Süden und ein Teil am nördlichen Rand müsste dann gar nicht erst geopfert werden.
Aspekte des Artenschutzes sollen in der aktuellsten Planung bereits stärker berücksichtigt worden sein als in den ursprünglichen Überlegungen. Das liegt auch an einer planungsrelevanten Art. In den Baumhöhlen am südlichen Rand brüten Stare. Neben diesen Höhlenbrütern sind Kleiber, Blau- und Kohlmeisen, Grün- und Buntspecht typische Arten für Waldstandorte dieses Alters. Sie alle können im Wald am Stadion gehört und beobachtet werden. Bäume, die gefällt werden, stehen diesen Tiere in Zukunft nicht mehr als Brut- und Nahrungshabitat zur Verfügung. Bündnis 90 Die Grünen plädieren dafür die derzeitige Planung grundsätzlich zu überdenken. Wenn alle kreativen Spielräume genutzt und innovative Ansätze verfolgt werden, kann aus unserer Sicht aus dem Baugebiet am ehemaligen Waldstation doch noch ein zukunftsfähiges Vorzeigeprojekt werden.
Wie würden sich zum Beispiel die Planungen verändern, wenn der neue Siedlungsbereich komplett autofrei geplant würde? Ist eine Entwidmung des südlichen Waldbereiches dann überhaupt erforderlich? Hier stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit eine Spielplatzfläche von einem Parkplatz für Autos zu umgeben. Naturschutz ist kein Faktor, der die Schaffung von Wohnraum verhindert. Naturschutz ist ein Faktor der Lebensqualität im Wohnumfeld schafft.
Wir als Grüne fordern daher eine deutliche Nachbesserung der Planung.
- Ist die Umwidmung der Waldfläche überhaupt erforderlich, wenn der Autoverkehr aus dem Siedlungsbereich herausgehalten wird?
- Wenn die Waldumwidmung unumgänglich ist, muss die Fläche auf Waltroper Stadtgebiet kompensiert werden.
- Es sollen konkrete Gespräche mit Waltroper Flächeneigentümern gesucht werden, um den Verlust der Waldfläche in Waltrop zu kompensieren.
- Bäume, die im Planungsgebiet gefällt werden, müssen zusätzlich am Waldstadion kompensiert werden. Es ist sinnvoll, aber reicht nicht, Baumstümpfe stehen zu lassen und mit Sträuchern zu unterpflanzen.
- Ebenso ist die Ausbildung eines Waldsaumes am nördlichen Rand des Sportplatzes zu konkretisieren. Auch hier sollen zahlreich Bäume gefällt werden.
Bildzeile und Text:
Matthias Erfmann, Diplom-Biologe, Stadtökologe und sachkundiger Einwohner für Bündnis 90/Die Grünen im Ausschuss für Klima, Mobilität und Umwelt.
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