Hier findet ihr nun unsere Haushaltsrede unserer Grünen Fraktionsvorsitzenden Monya Buß.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
die jährlichen Haushaltsreden bieten nicht nur die Chance politische Schwerpunkte zu setzen, sondern diese auch im Kontext der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Situation zu betrachten.
Das vergangene Jahr war besonders durch die Herausforderungen der weltweiten Pandemie geprägt, die auch vor Waltrop keinen Halt gemacht hat und gravierende Auswirkungen sowohl auf unser kommunales Zusammenleben, als auch auf den städtischen Haushalt hat.
Der Kämmerer hat deutlich gemacht, wie die Mehrkosten und Mindereinnahmen in vielen Bereichen den Haushaltsausgleich bereits für dieses Jahr gefährden und welche Unsicherheiten sich für die Haushaltsplanung der Folgejahre ergeben. Kurz gesagt: Der vorliegende Haushaltsplan bietet deutlich weniger politischen Handlungsspielraum, als die Pläne der vergangenen Jahre. Daher ist es umso wichtiger, verantwortungsbewusste und nachhaltige Entscheidungen für eine zukunftsfähige Stadt zu treffen.
Die Kommunalwahlen im Jahr 2020 haben eine Menge verändert und neben einem neuen Bürgermeister sind auch viele neue Mandatsträger:innen in den Waltroper Stadtrat eingezogen. Das hat auch die Mehrheitsverhältnisse verändert und Themen des Umwelt-, Arten- und Klimaschutzes neuen Rückenwind verliehen. Viele Parteien haben sich in ihrem Wahlkampf eben diese Themen auf die Fahne geschrieben und es wird sich zeigen, ob sich die gewählten Vertreter:innen tatsächlich für mehr Klimaschutz einsetzen oder sich für die nächsten Jahre entspannt zurücklehnen bis die nächste Wahl vor der Tür steht. Für uns Grüne sind Umwelt-, Arten- und Klimaschutz keine Trendthemen, sondern werden von uns seit unserer Gründung prioritär verfolgt.
Trotz der angespannten Haushaltslage haben wir einige Maßnahmen für den Klimaschutz im Haushaltsplan 2021 unterstützt und eigene Punkte ergänzend eingebracht. So war es uns ein wichtiges Anliegen, dass bereits der strategische Vorbericht des Haushaltsplans ein klares Bekenntnis der Stadt zum Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2040 enthält. Damit legt sich die Stadt Waltrop zum ersten Mal auf ein konkretes Jahr fest, ab dem sie klimaneutral planen und agieren wird.
Natürlich sind 19 Jahre eine lange Zeit und wir hoffen, dass wir unser gemeinsames Ziel um einige Jahre eher erreichen werden. Dafür ist es notwendig bereits in diesem Haushaltsjahr daran zu arbeiten. So wollen wir noch in 2021 eine Stelle für eine:n Klimaschutzmanager:in ausschreiben, welche ab Anfang 2022 fachbereichsübergreifend die städtischen Klimaschutzbemühungen koordiniert und neue Maßnahmen implementiert.
Dazu gehören insbesondere Maßnahmen für mehr klimaneutrale Mobilität. Leider weist der Haushaltsplan dazu nur wenige konkrete Punkte auf. Lediglich drei Fahrradvorrangstraßen sollen eingerichtet und eine Busvorrangspur geprüft werden. Das geht uns zu langsam. Wir wollen, dass das überparteilich beschlossene Fuß- und Radwegekonzept schnellstmöglich umgesetzt und die erarbeiteten Vorschläge des Nahmobilitäts-Arbeitskreises realisiert werden.
In Bezug auf die innerstädtische Verkehrssituation sind vor allem die beiden großen Fraktionen CDU und SPD wenig innovativ. Es wird weiterhin (auch) für den ruhenden Verkehr viel zu viel Platz eingeräumt und wertvolle Freiflächen für Parkplätze geopfert. Der motorisierte Individualverkehr genießt in Waltrop immer noch Vorrang und das müssen wir ändern, wenn wir es mit dem Klimaschutz ernst meinen.
Dafür müssen wir attraktive Alternativen schaffen und es gibt bereits einige Beispiele mit Vorbildfunktion:
Die Stadt Bad Honnef mit rund 25 Tsd. Einwohner:innen erhält 1,332 Mio. € vom Bund aus dem Programm "Klimaschutz durch Radverkehr" und nimmt selbst 444 Tsd. € dafür in die Hand. Wir können nur sagen: Zur Nachahmung wärmstens empfohlen. Nutzen wir also die vielen Förderprogramme von Bund und Land und investieren vermehrt auch in den Ausbau unserer Radwege. Denn Radfahren in Waltrop ist gefährlich - dies zeigen die vielen Verkehrsunfälle mit Radfahrer:innen der vergangenen Jahre. Wir benötigen gut ausgebaute Radrouten durch unser Stadtgebiet und sichere Fahrradspuren an den Hauptstraßen z.B. an der Leveringhäuser Straße.
Wir verfolgen weiterhin das Ziel einen Bahnhof in Waltrop aufzubauen: Eine direkte Bahnverbindung nach Lünen wäre auch für Pendler:innen in umliegende Städte äußerst sinnvoll und attraktiv und würde die Leveringhäuser Straße nachhaltig entlasten.
Die Stadtbusse müssen mindestens im bestehenden Takt erhalten bleiben, um eine innerstädtische Alternative zur Autonutzung anzubieten, aber auch um die Attraktivität von Waltrop als Wohnstadt zu erhalten.
Besonders unsere Innenstadt kann von einer deutlichen Verkehrsberuhigung profitieren. Anstatt an einem veralteten Konzept der Innenstadt als Nahversorger mit möglichst vielen Parkplätzen festzuhalten, sollten wir unsere Innenstadt grundlegend neu denken: Als Ort der Begegnung und des kulturellen, gesellschaftlichen Lebens.
Um Menschen in unseren Stadtkern zu locken, brauchen wir Freiraum für Gastronomie, Events und Plätze, an denen wir gerne verweilen. Die Fußgängerzone und der Marktplatz sollen beruhigt und begrünt werden. Um jedoch zu erreichen, dass mehr schattenspendende Bäume, Sitzgelegenheiten und Wasser in der Fußgängerzone Platz finden, ist es zwingend notwendig die Fußgänger:innenzone konsequent autofrei zu gestalten und einige bereits erschlossene Parkplätze zu entsiegeln.
Aber nicht nur für unsere Innenstadtfläche müssen wir neue Konzepte erarbeiten, generell müssen wir uns damit auseinandersetzen, dass unsere Freiflächen begrenzt sind und jede Flächenversieglung eine Belastung für Klima und Umwelt darstellt. Daher haben wir die sukzessive Reduzierung unseres Freiflächenverbrauchs als ein primäres Ziel zur Erreichung der Klimaneutralität in 2040 festgeschrieben. Dies bedeutet auch, dass wir zur Erschließung von neuem Wohnraum vermehrt auf die ergänzende Bebauung bereits bestehender Wohngebiete setzen, anstatt die "Grüne Wiese" zu betonieren. Es muss um Verdichtung und Wiederaufbereitung von Altbrachen gehen.
Hier gilt es ein besonderes Augenmerk auf innovative Neuansiedlungen in Verbindung mit Ökologie und Ökonomie zu legen. Ein Beispiel wäre die Neuplanung einer autofreien Wohnsiedlung auf der Fläche des ehemaligen Waldstadions. Unsere Grüne Fraktion fordert in allen zukünftigen Bebauungsplänen höhere ökologische Standards vorzuschreiben und die erforderlichen ökologischen Ausgleichsmaßnahmen auf Waltroper Stadtgebiet vorzunehmen.
Aber nicht nur im Bereich der Wohnbebauung gilt es über Flächenbedarfe zu beraten. Nach vielen Diskussionen und auch mit Bauchschmerzen haben wir der Entwicklung des Geländes „Dicker Dören“ für Langendorf zugestimmt, da es um 250 Arbeitsplätze geht. Ebenso stehen wir hinter dem Neubau einer Feuerwache, um die Sicherheit unserer Einwohner:innen zu gewährleisten und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten nachhaltig zu verbessern. Dennoch besteht für uns nach wie vor Beratungsbedarf, was das Konzept des Neubaus der Wache betrifft. Der Kämmerer stellt fest, dass der Bau der Feuer- und Rettungswache über 25 Millionen Euro verschlingen wird und dieses Geld in unserer momentanen Haushaltslage nicht zu Verfügung steht bzw. "nicht darstellbar" ist. Darüber hinaus muss für dieses Bauprojekt eine große Fläche versiegelt werden.
Bereits Ende 2019 haben wir gefordert, dass die Verwaltung Alternativen zum geplanten Bauvorhaben von Feuer- und Rettungswache unter einem gemeinsamen Dach prüft. So ist für uns eine 2-Standort-Lösung denkbar, wobei der alte Standort vorrangig für den Rettungsdienst ausgebaut werden soll und der Neubau exklusiv der Unterbringung der Feuerwehr dient. So könnten sich die Kosten des Neubaus und die zu versiegelnde Fläche deutlich reduzieren. Leider wurde eine adäquate Prüfung unseres Vorschlags oder einer anderen denkbaren Alternative abgelehnt. Die Ablehnung begründeten die beiden großen Fraktionen mit dem vermeintlichen Zeitdruck und der empfundenen Notwendigkeit noch schnell vor der Kommunalwahl hierzu einen Grundsatzbeschluss für einen gemeinsamen Standort von Feuer- und Rettungswache zu treffen. Nun ist ein Jahr vergangen und nichts passiert. Stattdessen schlägt die Verwaltung im Vorbericht des Haushaltsplans vor sich erst im Jahr 2022 noch einmal grundsätzlich mit dem Thema zu beschäftigen. Wir erwarten, dass dieses Jahr genutzt wird, um endlich eine adäquate Prüfung von mehr als einer Variante vorzunehmen. Als Rat entscheiden wir über ein Bauvorhaben mit großer gesellschaftlicher und finanzieller Tragweite und wir empfinden es als Herabsetzung des Rates uns nur eine einzige Alternative zur Beschlussfassung zu unterbreiten.
Das kann nicht die Grundlage für eine nachhaltige und verantwortungsbewusste Entscheidung sein!
Es zeigt sich, dass Klima-, Umwelt- und Artenschutz viele Bereiche unseres politischen Handelns betreffen und wir eine Strategie aus vielen kleinen und einigen großen Maßnahmen benötigen, um der Herausforderung gerecht zu werden und bis 2040 eine klimaneutrale Kommune zu werden. Trotzdem müssen wir uns auch der Realität stellen, dass all unsere Maßnahmen nur bedingt zur Reduzierung der bereits eingetretenen Klimaschäden beitragen.
Schon heute bemerken wir die Auswirkung des Klimawandels durch extreme Hitzesommer, Sturm- und Starkregenereignisse. Ebenso wie der Klimaschutz betrifft das Themenfeld der Klimaanpassung nahezu alle Bereiche der kommunalen Infrastruktur und des öffentlichen Zusammenlebens.
Diese Querschnittsaufgabe wird auch eine finanzielle Herausforderung der nächsten Jahre und Jahrzehnte. In unserer schwachen finanziellen Situation haben wir kein Geld zu verschenken und müssen ein Konzept entwickeln, wie wir durch gezielte mittelfristige Investitionen und nachhaltige Planungen die Belastung unserer Einwohner*innen möglichst geringhalten. Hierfür haben wir beantragt noch in diesem Jahr 15.000€ für die Entwicklung eines umfassenden, mittelfristigen Klimaanpassungskonzepts auszugeben.
Es reicht nicht, von Klimaschutz zu reden und sich im Wahlkampf ein grünes Mäntelchen umzuhängen. Wir müssen auch bereit sein das Geld dafür in die Hand zu nehmen und wegweisende Entscheidungen zu treffen. Wir hoffen, dass Bürgermeister Mittelbach seinen Wahlversprechen Taten folgen lässt und gemeinsam mit uns an der konsequenten Umsetzung unserer städtischen Klimaziele arbeitet. Wir werden seine Amtsführung auch daran messen.
Der vorliegende Haushalt zeigt wenig Ambitionen für ein Umdenken im Bereich des Klimaschutzes, dennoch werden wir ihm zustimmen, da wir einige wichtige Akzente erkennen können und respektieren, dass die Darstellung eines ausgeglichenen Haushaltsplans unter den Bedingungen der Pandemiebekämpfung eine Mammutaufgabe mit wenig Entscheidungsspielraum darstellt. Ob der Plan letztlich der Realität stand hält oder einige Kennzahlen doch zu optimistisch sind, wird sich im Laufe des Jahres herausstellen. Vorerst ist es ein Plan mit dem wir arbeiten können.
Nutzen wir das Haushaltsjahr, um neue Ideen zu entwickeln, Konzepte zu verwirklichen und die notwendigen Debatten zu führen, um in 2022 einen ambitionierteren Haushaltsplan abzustimmen.
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